Die Historie

Im Zeitraum vom 1. Jahrhundert v. Chr. bis zum frühen 5. Jahrhundert n. Chr. wurden im Thorsberger Moor von Angehörigen des westgermanischen Stammes der Angeln in mehreren Phasen Gegenstände geopfert. Die Opfergaben bestanden aus Waffen, Schilden, Zaumzeug, Kleidung, Holzgegenständen, Werkzeug und Trachtschmuck. Viele Gegenstände, besonders Waffen, wurden vor der Niederlegung unbrauchbar gemacht. Der Name legt nicht notwendig nahe, dass das Heiligtum zur Zeit der Angeln exklusiv dem Gott Donar/Thor geweiht war. Vielmehr wird der Name von einigen Forschern erst auf dänischen Einfluss der Nachvölkerwanderungszeit, insbesondere der sogenannten Wikingerzeit, zurückgeführt. Dass diese späteren Siedler am Ort Thor verehrt haben, darf angenommen werden; dies gilt jedoch für die Angeln als nicht nachgewiesen.

Auswertungen der einzelnen Niederlegungsphasen ergaben, dass über 90 % der Funde im 3. und 4. Jahrhundert niedergelegt wurden. Ebenso treten mit Beginn des 3. Jahrhunderts die Waffenopfer zunehmend in den Vordergrund. Die Waffen stammen wahrscheinlich aus Konflikten zwischen verschiedenen germanischen Stämmen aus Skandinavien und den Gebieten des "freien" Germaniens (Germania magna) in direkter Nachbarschaft zum Römischen Reich - sehr viele Stücke sind römischer Herkunft und könnten teilweise auch im Imperium erbeutet worden sein. Da inzwischen Hinweise auf römische Feldzüge im norddeutschen Raum des 3. Jahrhunderts vorliegen (siehe Römisches Schlachtfeld bei Kalefeld), ist sogar ein Zusammenhang mit diesen Kämpfen denkbar, über die insgesamt sehr wenig bekannt ist.
Man nimmt ansonsten zumeist an, dass die große Zahl von schartigen Waffen aus dem 3. und 4. Jahrhundert auf Konflikte hinweist, die in Zusammenhang mit dem Beginn der großen spätantiken Völkerwanderung stehen - vielleicht handelte es sich um Verteilungskämpfe. Unklar ist dabei, ob die geopferten Waffen abgewehrten Invasoren abgenommen wurden, wie es die ältere Forschung meist annahm, oder ob es sich vielmehr um Stücke handelt, die von den Siegern nach Beutezügen nach Südskandinavien, in die Gebiete am Oberlauf der Elbe sowie in die Randzone des Imperium Romanum in ihre Heimat überführt und dann bei Thorsberg (teilweise?) geopfert wurden.

Zu den herausragenden Funden gehören eine römische (Reiter-)Gesichtsmaske aus vergoldetem Silber, textile Kleidungsstücke wie Prachtmäntel, Kittel und Hosen, Wadenwickel, römische Helme und Münzen sowie runenbeschriftete Gegenstände. Die Erhaltungsbedingungen für organisches Material waren in diesem Moor optimal, wohingegen die meisten Eisengeräte chemisch weitgehend zerstört waren. Aufgrund der außerordentlich guten Erhaltungsbedingungen, der relativ guten Dokumentation der Grabungen und der großen Menge an gefundenen Gegenständen gehört das Thorsberger Moor neben Nydam, Illerup Ådal und Vimose (alle drei in Dänemark) zu den bedeutendsten Fundplätzen dieser Zeit in Nordeuropa. Die Funde belegen, wie weit römischer Einfluss auch über die Grenzen des Imperiums hinaus reichte.

Druckversion | Sitemap
5. Internationale Thorsberg-Festspiele in Süderbrarup 13. und 14. August 2022